Köln, GER – Teil 1 zur Geschichte des Wurfscheibenschießens… Wie kam es überhaupt zu unserem Sport? Ab wann war es überhaupt Sport? Wann gab es die ersten Wettkämpfe? Wann wurde es eine Olympische Disziplin? Wann gab es die ersten Deutschen Medaillen? usw. – Viele Fragen, die wir versuchten zu klären und was wir dabei alles fanden. Ein kurzer Bericht über die Entstehung des Wurfscheibenschießens bis zur ersten Teilnahme deutscher Schützen bei den Olympischen Spielen und was „Buffalo Bills Wild West Show“ damit zu tun hat.
Von der Jagd zum Sport…? ¹
Mit dieser Frage haben sich schon viele beschäftigt und sie wurde wissenschaftlichen bearbeitet, letztendlich konnte sie jedoch nie abschließend beantwortet werden. Diese Arbeiten führen tausende von Jahren zurück, so könnte man den Sport als Übung für die Jagd beziehungsweise für die Nahrungsbeschaffung betrachten. Man könnte die Herkunft des Sports auch als Vorübung für den Krieg erklären, wobei die Grenzen dieser beiden Herleitungen nicht klar gezogen werden können. Der Sport mag vielleicht auch als eine Art Ventil zur Befriedigung elementarer menschlicher Verhaltenstriebe entstanden sein – beispielsweise aus Spiel-, Erkundungs- und Aggressionstrieb. Diese Entwicklung konnte nur deshalb stattfinden, weil die Notwendigkeit der Jagd zur Sicherung des täglichen Nahrungsmittelbedarfs nicht mehr an vorderster Stelle stand. Nun konnte der Mensch seine Energien auch in andere Bahnen lenken. Heute bestehen zahlreiche Sportarten, die sich aus der Jagd weiterentwickelt haben z.B. auch der Speerwurf. Die Frage jedoch, ob die Jagd ein Sport ist, lässt sich keineswegs leicht beantworten. Tatsächlich beinhaltet auch die Jagd mehr oder weniger motorische Aktivität, wird nach gewissen Regeln betrieben und zum Teil wettkampfmäßig durchgeführt. Die Jagd erfüllt aber auch einige wesentliche Kriterien einer Sportart nicht. So dienen die Jagdgesetze und Regeln nicht ihrer Definition, sondern dem Schutz der Tiere, der Umwelt oder des Mitmenschen. Noch problematischer wird es beim Aspekt der Zweckfreiheit, da die Jagd immer mit einem gewissen Zweck verbunden ist. Dabei ist gleichgültig, ob es sich bei diesem Zweck um die Trophäenjagd, die Nahrungsmittelbeschaffung oder die Populationsregulierung handelt. In Mitteleuropa wurde die Jagd im 19. Jahrhundert grundsätzlich nicht als Sport, sondern vielmehr als eine standesgemäße Freizeitbeschäftigung oder eine in engstem Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Arbeit stehende Tätigkeit betrachtet.
Das Taubenschießen… ²
In England war dies grundsätzlich anders. Dort wurden insbesondere das „Bird Shooting“, also die Vogeljagd – das sogenannte Taubenschießen, manchmal auch Lebendtaubenschießen – als Sport verstanden und dies schon in einer regelbasierten Form. Dieses Taubenschießen wurde jedoch bereits im 19. Jahrhundert wegen seiner Grausamkeit gegenüber den Vögeln kritisiert. Heute sind es nur noch wenige Länder, in denen diese Form von Schießsport legal ist. Dazu zählen Spanien, Mexiko und einige US-amerikanische Bundesstaaten. Wichtiger und nach meiner Meinung Hauptbestandteil des Taubenschießens ist hier der Abschluss von Wetten, wobei es sich teilweise um sehr hohe Geldbeträge handelt!
Der erste Club, der sich exklusiv dem Taubenschießen widmete, wurde 1812 in einem Londoner Vorort gegründet. Er nannte sich „Old Hats“, weil die Tauben unter alten Hüten gefangen gehalten wurden, bis sie durch das Ziehen an einem dünnen Seil freigelassen wurden. Neben England wurde diese Form von Schießsport auch in den europäischen Ländern Spanien, Italien, Belgien und Monaco praktiziert. In Brüssel und im belgischen Ostende wurden allein gegen Ende des 19. Jahrhunderts alljährlich etwa 35.000 Tauben geschossen. In Deutschland ging man in Heiligendamm in der Mecklenburger-Bucht diesem Sport nach. Die Ausübenden waren zu Beginn zumeist wohlhabende Landbesitzer. Der erste US-amerikanische Club, in dem man Taubenschießen praktizierte, wurde zu Beginn der 1830er Jahre in Cincinnati gegründet. Zu den Vögeln, die zu Beginn geschossen wurden, zählten allerdings nicht nur Tauben. Als Schießziel dienten auch Amseln, Spatzen und sogar Fledermäuse.
Taubenschießen wurde vor allem in den USA so populär, dass diese Sportart einigen Showschützen als Lebensgrundlage diente. Zu den bekanntesten zählten die Scharfschützen und Capt. Adam H. Bogardus. Doc Carver unternahm sogar 1882 mit der „Carvers Wildwestshow“ eine Europa-Tournee bei der er unter anderem zur Unterhaltung des Prince of Wales Tauben schoss und von diesem dafür mit einer Medaille ausgezeichnet wurde. Später benutzte er die Einnahmen aus der Europatour um zusammen mit Bill Cody die berühmte „Buffalo Bills Wild West Show“ auf die Beine zu stellen. Sogar bei den II. Olympischen Spielen der Neuzeit 1900 in Paris – die Erste offizielle Einführung der sportlichen Disziplin des Trapschießens – wurde noch auf Lebendtauben geschossen.
Durch Ausreißen von Federn und Ätzen der Wunden, Blenden auf einem oder beiden Augen, Brechen von Knochen usw. werden die Tauben so präpariert, damit sie beim Abfliegen aus den Blechkästen vor jedem Schießstand, aus denen sie nach Kommando freigelassen werden, nicht kreisend, sondern gerade aufrecht oder nach einer bestimmten Seite wegfliegen. Der Schütze muss sie dann innerhalb einer Umzäunung treffen, da ansonsten der Schuss nicht zählt.
Nachdem in den sechziger Jahren eine halbtot geschossene Taube vor die Füße der monegassischen Fürstin Grace Kelly fiel, wurde dort das Schießen auf Lebendtauben verboten. Deutschland, Holland und andere Staaten hatten das Taubenschießen zu dieser Zeit bereits schon lange verboten. In England scheiterte ein diesbezüglicher Gesetzentwurf am Widerspruch des Oberhauses. Ersatzweise wurde in den Ländern das Schießen auf Elektrotauben (Helices) eingeführt, die Lebendtauben vergleichbare Flugeigenschaften simulieren sollten.
Tontaubenschießen…
Aufgrund der bereits großen Kritik am Lebendtaubenschießen im 19. Jahrhundert, suchte man schon früh nach alternativen. Man stellte Wurfscheiben aus Terrakotta, Ton, Asphalt und anderen Materialien her, auch Kombinationen aus verschiedenen Materialien wurden ausprobiert, man erfand die unterschiedlichsten Abwurfmechanismen, so dass bereits im 19. Jahrhundert sportliche Wettkämpfe mit Tontauben bzw. Wurftauben ausgerichtet wurden.
Ein Sport der überwiegend den gut betuchten Bürgern, Jagdherren und dem Adel vorbehalten war. So kam es auch, dass Hans Adolf Erwein Max Graf von Königsmarck (1865-1943) im Schlosspark von Schloss Plaue östlich von Brandenburg an der Havel vor 1880 eine große Terrasse mit Blick auf den Plauer See errichten ließ.
Ob die Terrasse als Aussichtsplattform oder gleich als Schiessanlage geplant war, ist nicht bekannt. Zunächst wurde sie ohne die beiden verstärkten Endsockel und ohne die beiden Tierplastiken vor 1880 errichtet. Diese kamen erst später hinzu, als Graf von Königsmarck an seine Jagderlebnisse im damals englischen Kaschmir in Form der beiden 1909 auf einer Jagd im Himalaja erlegten Tiere, Roter Bär und Markhor erinnern ließ. Der Graf war ein passionierter Jäger und ließ wohl ab 1911 die Terrasse zu einer Tontaubenschießanlage umgestalten. Vor den Luken am Bau wurden zwei Abschussschleudern installiert; geschossen wurde von oben in Richtung Plauer See. Die Sockel wurden erweitert und die Tierfiguren aus Beton aufgesetzt. – Es soll sich um den weltweit ältesten noch erhaltenen Tontaubenschießstand handeln!
Seine Jagderlebnisse hatte der Graf v. K. 1910 (in Englisch) bzw. 1911 (in Deutsch) veröffentlicht. Darin schildert er das Erlegen der beiden majestätischen Tiere. Der Markhor (Capra falconeri), eine Ziegenantilope, war schon damals durch übermäßige Trophäenbejagung selten geworden und ist heute – als Wappentier Pakistans – akut vom Aussterben bedroht. ³
Erste Teilnahme von deutschen Tontaubenschützen bei den Olympischen Spielen…
Nach der Einführung der Disziplin des Trapschießens 1900 in Paris mit lebenden Tauben, wurde auf Tontauben umgestellt. Das zweite Mal fand dann 1908 in London bereits auf „Clay Birds“ statt, jedoch ohne deutsche Beteiligung. Erst 1912 im schwedischen Stockholm traten sieben deutsche Schützen bei den V. Olympischen Spielen der Neuzeit an. Hierbei handelte es sich um… Alfred Goeldel-Bronikowen, Horst Goeldel-Bronikowen, Erland Koch, Hans-Joachim Lüttich, Albert Preuß, Erich Graf von Bernstorff-Gyldensteen sowie Franz Freiherr von Zedlitz und Leipe.
Und gleich bei der ersten olympischen Teilnahme auf dem Schießstand in Råsunda bei Stockholm, waren die deutschen Schützen sehr erfolgreich. Alfred Goeldel-Bronikowen gewann die Silbermedaille in der Einzelwertung mit 94 von 100 getroffenen Scheiben, er musste sich nur James R. Graham aus den Vereinigten Staaten geschlagen geben der 96 Scheiben traf.
Auch in der Mannschaftswertung (damals noch sechs Schützen pro Mannschafft), gewannen die Deutschen eine Medaille Platz 3 „Bronze“ mit 510 getroffenen Scheiben. Silber ging an Großbritannien die eine Scheibe mehr trafen und die Goldmedaille an die USA mit 532 Treffern.
Der einzige Schütze des deutschen Teams der ohne Medaille nach Hause fuhr war Hans-Joachim Lüttich, er belegte Platz 25 mit 77 Treffen von 51 Teilnehmern.
In alten Aufzeichnungen war zu finden, dass bereits 2 Jahre zuvor im Jahre 1910 Horst Goeldel-Bronikowen Weltmeister mit 94 Treffern von 100 Scheiben auf den Distanzen 10, 12, 14, 17 und 20 Meter bei der Jagdausstellung in Wien wurde, er erhielt dafür eine Ehrengabe des Kaisers und die goldene Weltmeisterschaftsmedaille. Zweiter wurde H.A. Bartosch aus Wien mit 92 Treffer, er bekam den Preis der Stadt Wien sowie eine silberne Medaille mit Goldrand. Dritter wurde Konrad Eilers aus Rostock ebenfalls mit 92 Treffer, der mit einer Ehrengabe des Fürsten zu Fürstenberg und einer silbernen Medaille belohnt wurde. Aber damit nicht genug, der vierte Platz ging an Franz Freiherr von Zedlitz und Leipe aus Hannover mit 91 Treffer, er bekam eine Ehrengabe vom Fürsten von und zu Lichtenstein sowie einer silbernen Medaille – was somit dann die ersten Drei international erworbenen Medaillen deutscher Tontaubenschützen gewesen wären. Auch die weiteren Platzierungen 5 – 9 gingen nicht leer aus, sie bekamen alle Ehrengaben aus dem Adel.
Horst Goeldel war es auch der 1923 die gefüllte Taube erfand, sie wurde als „Montetaube“ (nach Monte Carlo) oder „Deutsche Jagd- und Armeetaube“ bezeichnet.
Quellangaben:
1. Hofjagd-Weidwerk-Wilderei „Jagd als Ursprung moderner Sportarten“ ISBN: 978-3-657-78258-1
2. Wikipedia „Taubenschießen“
3. Förderverein Schlosspark Plaue e.V.
4. Wiener Salonblatt Nr. 32 v. 6. August 1910